Redispatch 2.0

geschrieben von
Paulina Würth
und

Behalten Sie den Durchblick – auch in Windparks mit mehreren Betreibern!

Mehr erfahren
Mehr erfahren
Mehr erfahren
Mehr erfahren
Mehr erfahren
Musterabrechnung ansehen
Mehr erfahren
Info-Paket herunterladen
Erste Veröffentlichung am
1.3.23
aktualisiert am
18.7.24
Stromtrassen und Solaranlagen in der Abendsonne.
gopixa – Getty Images; node.energy
Inhalt

In diesem Artikel beantworten wir alle wichtigen Fragen zum Redispatch 2.0 und erklären, welche Auswirkung das Redispatch Regime auf Betreiber von EE-Anlagen hat.

Was bedeutet Redispatch?

Die Bundesnetzagentur definiert Redispatch als „Eingriffe in die Erzeugungsleistung von Kraftwerken, um Leitungsabschnitte vor einer Überlastung zu schützen.“

Da Stromleitungen nur eine gewisse Menge an Strom übertragen können, muss sichergestellt werden, dass nicht mehr Strom eingespeist wird als verbraucht oder abtransportiert werden kann. Wenn dies doch geschieht, spricht man von einem Netzengpass. Wird dieser nicht behoben, kann es zum Abriegeln der Netzregion führen und damit zu einem Stromausfall bei den angeschlossenen Verbrauchern.

Eine Redispatch-Maßnahme wird immer mithilfe von zwei Kraftwerken durchgeführt. Die Stromerzeugungsanlage vor dem Netzengpass wird dabei negativ abgeregelt, ihre Erzeugungskraft also reduziert. Ein anderes Kraftwerk, meist ein Gaskraftwerk, auf der anderen Seite des Netzengpasses wird positiv abgeregelt, die Erzeugungsleistung also hochgefahren. Damit wird die geplante Menge an Strom ins Netz eingespeist, aber von anderen Standorten im Stromnetz.

Redispatch und Einspeisemanagement

Bis zum Oktober 2021 gab es bereits Redispatch-Maßnahmen für konventionelle Anlagen mit einer installierten Leistung von größer 10 MW. Zuständig dafür waren die Übertragungsnetzbetreiber. Kleinere konventionelle Anlagen und Erneuerbare-Energien-Anlagen (EE-Anlagen) wurden im Rahmen des Einspeisemanagements über die für sie zuständigen Verteilnetzbetreiber abgeregelt. Redispatch war dabei immer die erste Option, Anlagen im Einspeisemanagement wurden nur abgeregelt, wenn der Netzengpass nicht durch die Maßnahmen des Redispatch beseitigt werden konnte.

Redispatch 2.0

Redispatch 2.0 wurde im Rahmen des Netzausbaubeschleunigungsgesetzes, kurz NABEG im Oktober 2021 eingeführt. Am 1. März 2022 startete der Testbetrieb, seit dem 1. Juni 2022 wird Redispatch 2.0 vollumfänglich genutzt.

Was ändert sich durch Redispatch 2.0 für EE-Anlagen?

Mit der Einführung von Redispatch 2.0 wurden alle Anlagen ab 100 kW in das Redispatch-Regime aufgenommen. Da viele der kleineren Anlagen nicht an das Übertragungsnetz angeschlossen sind, sondern an eines der Verteilnetze, sind auch die Verteilnetzbetreiber nun zuständig für Redispatch-2.0-Maßnahmen.

Für die Betreiber von EE-Anlagen kamen zwei neue Rollen hinzu, die sie selbst besetzen oder Dritte damit beauftragen konnten:

  • Der Einsatzverantwortliche (EIV) ist für die Planung und Einsatzführung einer Technischen Ressource verantwortlich. Er muss die für den Netzbetreiber erforderlichen Daten der Anlage aktuell und vollständig gemäß den gesetzlichen Verpflichtungen bereitstellen. Dazu gehören insbesondere Informationen über den prognostizierten Anlageneinsatz und Nichtbeanspruchbarkeiten der Anlage, etwa in welchem Zeitraum diese aufgrund von Wartungen nicht in Betrieb genommen wird.
  • Der Betreiber der technischen Ressource (BTR) ist für den Betrieb der Technischen Ressource (TR) verantwortlich; die Technische Ressource ist die kleinste Erzeugungseinheit pro Anlage. Der BTR stimmt sich mit den Netzbetreibern über die Höhe der Ausfallarbeit ab.

Wie wird eine Anlage im Redispatch-2.0 gesteuert?

Das Redispatch 2.0 Regime sieht für die Schritte Planung, Steuerung und Abrechnung jeweils zwei verschiedene Modelle vor. Das Wahlrecht zwischen den Optionen liegt beim Anlagenbetreiber /Einsatzverantwortlichen, unter Berücksichtigung der technischen Restriktionen der Netzbetreiber.

Planung

In der Planungsphase entscheiden die Netzbetreiber anhand der ihnen vorliegenden Informationen die Fahrpläne für den nächsten Tag. In diesem Zuge treffen sie auch die Entscheidung darüber, wann welche Anlage, für wie lange und in welchem Maße abgeriegelt werden. Anlagen können zu 30 %, 60 % oder 100 % abgeregelt werden.

Option 1: Prognosemodell

Im Prognosemodell erstelle der für die Anlage zuständige Netzbetreiber die Einspeiseprognose für die entsprechende Anlage. Für die meisten EE-Anlagen werden die Fahrpläne von den Anschlussnetzbetreibern erstellt.

Option 2: Planwertmodell

Einspeisemengen von Anlagen mit einer verbindlichen Planwertlieferung werden standardmäßig nach dem Planwertmodell prognostiziert. In diesem Fall erstellt der EIV die Fahrpläne und liefert diese an den verantwortlichen Netzbetreiber. Diese Option ist auch für EE-Anlagen in der Direktvermarktung zulässig.

Steuerung

In dieser Phase werden die Anlagen abgeregelt. Dies geschieht im Rahmen der Planung der Netzbetreiber oder ungeplant aufgrund einer Situation, die das Stromnetz belastet, zum Beispiel einer plötzlichen Absenkung des Verbrauchs oder einer höher als geplanten Stromeinspeisung.

Option 1: Duldung

Im Fall der Duldung wird die Anlage vom Netzbetreiber selbst abgeregelt.

Option 2: Aufforderungsfall

Der Aufforderungsfall entspricht dem Prozess, nach dem im Redispatch die konventionellen Anlagen abgeregelt wurden. Der anweisenden Netzbetreiber gibt dabei die Anweisung an den EIV der wiederum die Anlage entsprechend der Anweisung abregelt.

Wie werden abgeregelte EE-Anlagen vergütet?

Laut dem EnWG § 13 Absatz 2 dürfen Anlagenbetreiber, deren Anlage im Rahmen des Redispatch abgeregelt werden, durch diese Maßnahme wirtschaftlich nicht schlechter oder besser gestellt werden. Zum einen geschieht dies, durch den bilanziellen Ausgleich des Bilanzkreises, zu dem die betroffene Anlage gehört. Der bilanzielle Ausgleich wird dabei durch den zuständigen Netzbetreiber vorgenommen.

Zum anderen werden die Anlagen für die entstandene Ausfallarbeit in Höhe der Marktprämie oder dem mit ihren Abnehmern vertraglich vereinbarten Fixpreis vergütet. Über die Höhe der Ausfallarbeit stimmen sich die Netzbetreiber mit den BTRs ab.

Für die Berechnung der Ausfallarbeit gibt es drei Optionen:

Option 1: Pauschal

Wir die Ausfallarbeit pauschal vergütet, wird der letzte gemessenen Leistungswert für den gesamten Abregelungszeitraum fortgeschrieben.

Option 2: Spitz-Light

Bei der Abrechnung nach dem Modell „Spitz Light“ wird die theoretische Einspeisemenge im Zeitraum der Redispatch-Maßnahme anhand der gemessenen Parameter einer geeigneten Referenzanlage oder den Wetterdaten berechnet.

Option 3: Spitz

Eine spitze Abrechnung ist nur dann möglich, wenn an der Anlage Wetterdaten gemessen wurde. Anhand dieser Parameter wird spitz die theoretisch mögliche Einspeisung berechnet.

In der Praxis wird die Berechnung der Ausfallarbeit noch nicht nach Plan ausgeführt, sondern anhand der BDEW-Übergangslösung zum gesicherten Einstieg in den Redispatch 2.0.

Was besagt die Übergangsregelung des BDEW?

Mit der Einführung von Redispatch 2.0 hat der Bundesverband der Energie- und Wasserwirtschaft e. V. (BDEW) eine branchenweite Übergangslösung für den gesicherten Einstieg in den Redispatch 2.0 veröffentlicht. Diese Übergangslösung sieht mehrere Änderungen vor:

  • der bilanzielle Ausgleich für Maßnahmen des Redispatch 2.0 gemäß § 13a Absatz 1a EnWG erfolgt pauschal in Höhe von 0 MWh
  • bestehende Ansprüche in Bezug auf Energiemengen werden finanziell ausgeglichen
  • der Bilanzkreis wird nicht von den Netzbetreibern, sondern von den Bilanzkreisverantwortlichen selbst ausgeglichen. Die Bilanzkreisverantwortlichen erhalten dafür eine Aufwendungsersatz entsprechend der Ausfallarbeit.

Der Ausstieg aus der Übergangslösung verläuft langsamer als geplant. Sie sollte eigentlich nur bis zum 31. Mai 2022 gelten, wird zum jetzigen Zeitpunkt (Stand: Juni 2023) in vielen Netzgebieten aber noch angewendet.

Anlagenbetreiber können sich über eine Liste des BDEW darüber informieren, welche (Verteil-)Netzbetreiber den bilanziellen Ausgleich bereits übernehmen, oder vorhaben, ihn ab einem bestimmten Zeitpunkt zu übernehmen.

Welche Kritik gab und gibt es an der Einführung von Redispatch 2.0?

Die Einführung von Redispatch 2.0 verlief nicht ohne Kritik. Zum einen wurde die kurze Übergangsphase von drei Monaten bemängelt. Zum anderen war abzusehen, dass die erforderlichen Implementierungen im Markt nicht rechtzeitig zum Beginn des Redispatch 2.0 abgeschlossen sein werden, weshalb der BDEW die Übergangslösung für den Redispatch 2.0 noch im September 2021 mit der Bundesnetzagentur und dem damaligen Bundesministerium für Wirtschaft erarbeitet hat.

Entgegen der Planung wurde die Anwendung der Übergangslösung über den Mai 2022 hinaus verlängert.

Ende September 2022 veröffentlichte die Bundesnetzagentur die Mitteilung Nummer 10, in der sie unter anderem mitteilt, dass „[…] häufig negative Redispatch-Maßnahmen mit EE- und KWK-Anlagen noch nicht durch den Netzbetreiber energetisch und bilanziell ausgeglichen [werden], sondern im Wege der Geschäftsbesorgung durch den Bilanzkreisverantwortlichen (BKV) der betroffenen Einspeisestelle, […].“

Außerdem greift sie darin Kritik von verschiedenen Akteuren aus dem Markt auf, die berichtet haben, dass „[…] Abregelungen oft nicht rechtzeitig vom Netzbetreiber angekündigt werden und deren Adressaten teilweise sogar erst nach Beginn der Redispatch-Maßnahme erreichen. Ferner wurde an die Bundesnetzagentur herangetragen, dass sich die Zahlung des Aufwendungsersatzes an die BKV oftmals verzögere. Schließlich nimmt die Bundesnetzagentur Unsicherheiten hinsichtlich der Bestimmung des finanziellen Ausgleichs des Anlagenbetreibers nach § 13a Abs. 2 EnWG wahr.“

Häufig gestellte Fragen

No items found.
No items found.