Anlagenverklammerung, Stromsteuer, Hauptzollämter – am 4. Oktober 2023 verhandelte das Finanzgericht Düsseldorf einen Fall, der alles enthielt, was Betreibern von Wind- und PV-Anlagen das Leben schwer macht.
Dabei befasste sich das Finanzgericht mit der Frage, ob ein virtuelles Kraftwerk, das aus mehreren verklammerten Einzelanlagen an verschiedenen Standorten besteht, gemäß § 9 Absatz 1 Nummer 1 StromStG von der Stromsteuer entlastet werden kann.
Geklagt hatte eine Betreiberin mehrerer PV-Anlagen, die damit gegen eine Ablehnung des für sie zuständigen Hauptzollamtes vorging. In diesem Artikel erfahren Sie, wie es zu der Verhandlung kam, was das Ergebnis für Betreiber von Wind- und Solaranlagen bedeutet und welche Handlungsempfehlung wir Anlagenbetreibern für die momentane Situation geben.
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Standortübergreifende Anlagenverklammerung
Klären wir zuerst, warum die PV-Anlagen der Betreiberin überhaupt als eine Anlage, als virtuelles Kraftwerk, angesehen wurden.
Die standortübergreifende Verklammerung wird im Rahmen der Verordnung zur Durchführung des Stromsteuergesetzes (StromStV) geregelt. Dort heißt es in § 12b:
(2) Stromerzeugungseinheiten an unterschiedlichen Standorten gelten als eine Anlage zur Stromerzeugung nach § 9 Absatz 1 Nummer 3 des Gesetzes, sofern
1. die einzelnen Stromerzeugungseinheiten zum Zweck der Stromerzeugung zentral gesteuert werden; […] und
2. der erzeugte Strom zumindest teilweise in das Versorgungsnetz eingespeist werden soll.
In der Praxis bedeutet das für Anlagenbetreiber, dass ihre Wind- oder PV-Anlagen, die Strom ins Netz einspeisen und über denselben Direktvermarkter laufen, als eine Anlage im Sinne des Stromsteuergesetzes angesehen werden, unabhängig davon, wo sie sich befinden.
Bei kleineren Anlagen hat die Verklammerung für den Betreiber dieser Anlagen oft keine Auswirkung. Die Anlagenverklammerung hat in der Praxis dann Konsequenzen, wenn das virtuelle Kraftwerk eine Leistung von 2 MW übersteigt. Denn dies ändert, nach welcher Vorschrift der Selbstverbrauch aus diesen Anlagen von der Stromsteuer befreit werden kann.
Befreiung von der Stromsteuer
Strom zum Selbstverbrauch ist nach § 9 Absatz 1 StromStG von der Stromsteuer befreit. Allerdings unterscheidet das Gesetz hierbei zwischen Anlagen mit einer Leistung bis zu 2 MW oder mehr als 2 MW. Genauer besagt § 9 Absatz 1 hier:
(1) Von der Steuer ist befreit:
1. Strom, der in Anlagen mit einer elektrischen Nennleistung von mehr als zwei Megawatt aus erneuerbaren Energieträgern erzeugt und vom Betreiber der Anlage am Ort der Erzeugung zum Selbstverbrauch entnommen wird;
[…]
3. Strom, der in Anlagen mit einer elektrischen Nennleistung von bis zu zwei Megawatt aus erneuerbaren Energieträgern oder in hocheffizienten KWK-Anlagen mit einer elektrischen Nennleistung von bis zu zwei Megawatt erzeugt wird und der
a) vom Betreiber der Anlage als Eigenerzeuger im räumlichen Zusammenhang zu der Anlage zum Selbstverbrauch entnommen wird oder
b) von demjenigen, der die Anlage betreibt oder betreiben lässt, an Letztverbraucher geleistet wird, die den Strom im räumlichen Zusammenhang zu der Anlage entnehmen;
Besteht nun der Fall, dass die Wind- oder PV-Anlagen eines Betreibers verklammert werden, deren Leistung jeweils geringer als 2 MW ist und nun in Summe eine Leistung von 2 MW erreichen, ergeben sich folgende Änderungen:
- Die verklammerte Anlage, die nun als virtuelles Kraftwerk mit einer Leistung von mehr als 2 MW angesehen wird, kann nicht mehr nach § 9 Absatz 1 Nummer 3 StromStG befreit werden.
- Die Stromlieferungen an Dritte, etwa Mieter bei einer PV-Dachanlage, kann nicht mehr von der Stromsteuer befreit werden.
- Der Ortsbegriff für den Selbstverbrauch von Strom ändert sich. Aus „im räumlichen Zusammenhang“ wird „vor Ort“.
Aus dem dritten Punkt ergab sich der Rechtsfall, der vom Finanzgericht Düsseldorf in erster Instanz geklärt wurde.
Betreiber vs. Hauptzollamt
Eigentlich hatte die Anlagenbetreiberin alles richtig gemacht: Sie wusste, dass ihre PV-Anlagen, mit Nennleistungen zwischen 100 und 200 kWp, die Voraussetzungen für eine standortübergreifende Verklammerung erfüllten, da sie einen Teil des erzeugten Stroms in das Netz einspeiste und über denselben Direktvermarkter verkaufen ließ.
Sie hatte bereits Stromsteuer für die Jahre 2020 und 2021 angemeldet und gezahlt, auch für den selbst verbrauchten Strom. Gleichzeitig beantragte sie dafür eine Entlastung nach § 12 c Absatz 1 StromStV in Verbindung mit § 9 Absatz 1 Nummer 1 StromStG, da es sich durch die Verklammerung bei ihren kleineren Anlagen nun um eine Anlage mit einer Leistung von über 2 MW handelte.
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Doch das für sie zuständige Hauptzollamt lehnte die Entlastung ab. Seine Begründung: Das Gesetz sieht eine Entlastung oder Befreiung der Stromsteuer nach § 9 Absatz 1 Nummer 1 StromStG nur vor, wenn der Strom vor Ort selbst verbraucht wurde.
Da es sich bei der verklammerten Anlage der Betreiberin aber um mehrere Anlagen handelt, gibt es nicht nur einen Ort, an dem der Strom zum Selbstverbrauch entnommen wird. Dagegen legte die Betreiberin Widerspruch ein und reichte schließlich die Klage ein.
Das Finanzgericht Düsseldorf gab ihr in dieser Sache recht und monierte, dass durch die Auslegung des Hauptzollamtes verklammerte Anlagen, die einzeln eine Nennleistung unter 2 MW aufweisen, aber zusammen auf über 2 MW kommen, schlechter gestellt werden als unverklammerte Anlagen.
Das sieht das Hauptzollamt allerdings anders und hat gegen das Urteil Berufung eingelegt. Nun liegt es am Bundesfinanzhof, diese Sache endgültig zu klären.
Wie macht man es als Anlagenbetreiber richtig?
Was bedeutet die bisherige Entscheidung für Wind- und PV-Anlagenbetreiber in einer ähnlichen Situation?
Anlagenbetreiber, die mehrere Wind- oder PV-Anlagen betreiben und den Strom über denselben Direktvermarkter einspeisen, sollten immer davon ausgehen, dass ihre Anlagen verklammert sind. Betreiber von Anlagen, die gemeinsam eine Leistung bis zu 2 MW haben, können ihren Selbstverbrauch oder Lieferungen an Dritte nach wie vor nach § 9 Absatz 1 Nummer 3 StromStG befreien, sofern sie die festgelegten Bedingungen erfüllen.
Auch Anlagen, die eigenständig eine Nennleistung über 2 MW aufweisen, können unabhängig von einer vorliegenden Verklammerung weiterhin nach § 9 Absatz 1 Nummer 1 StromStG befreit werden.
Die ausstehende Entscheidung des Bundesfinanzhofes betrifft vor allem Betreiber, die mehrere Anlagen mit Leistungen unter 2 MW betreiben, die verklammert die Leistungsgrenze von 2 MW überschreiten. Für diese Betreiber geben wir folgende Handlungsempfehlungen. Diese basieren auf unseren Praxiserfahrungen, ersetzen aber keine Rechtsberatung.
- Beantragen Sie eine Befreiung von der Stromsteuer nach § 12 c Absatz 1 StromStV in Verbindung mit § 9 Absatz 1 Nummer 1 StromStG.
- Auch wenn das Hauptzollamt in Falle des Gerichtsverfahrens die Entlastung (und damit wahrscheinlich auch eine Befreiung) nach diesem Paragrafen abgelehnt hat, ist es dennoch möglich, dass das für Sie zuständige Hauptzollamt die Befreiung genehmigt. In diesem Sinne können Sie auch Entlastungsanträge für bereits gezahlte Stromsteuer einreichen.
- Wird Ihr Antrag entsprechend der oben beschriebenen Begründung abgelehnt, empfehlen wir, dagegen Einspruch einzulegen, mit dem Verweis auf das offene Gerichtsverfahren.
- Wir empfehlen, bis zur Klärung des Verfahrens die Stromsteuer zu entrichten.
Wird im Sinne der Klägerin entschieden, können Sie über den bereits gestellten Entlastungsantrag die gezahlten Steuern zurückerhalten.
Entscheidet der Bundesfinanzhof im Sinne des Hauptzollamtes, ist die Stromsteuer bereits entrichtet und Sie müssen keine Nachzahlungen leisten.
Unabhängig von der Größe der Anlagen lohnt es sich, eine spezielle Software zu nutzen, die die rechtssichere Bearbeitung der Stromsteuer und anderer energiewirtschaftlichen Pflichten erleichtert. Dabei ist opti.node von node.energy immer die richtige Wahl.
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